VIA CLAUDIA AUGUSTA

VIA CLAUDIA AUGUSTA by Heinz Wallisch

Bericht im pdf Format (mit Bilder)

Mittwoch: Eine problemlose, ab Salzburg heiße Bahnfahrt mit zweimal Umsteigen bringt mich und mein schwer bepacktes Bike nach Donauwörth, den Ausgangspunkt dieses alten Römerweges; erbaut 47 nach Christi von Kaiser Claudius und führte von Altinum am Mittelmeer über den Reschenpass an die Donau.
Gegen 14h geht´s los, nach ein paar Kilometern bin ich beim ersten von den zahlreichen Kilometersteinen der Via; er steht samt einer erklärenden Tafel am Ufer der jungen Donau.
Endlich am Lech (er wird fast drei Tage mein Begleiter sein), fahre ich auf gut beschilderten, fein geschotterten Radwegen einige Stunden dahin; mit einer Flüssigkeitsaufnahmepause beim Lechbrückenwirt; mit den vielen Radfahrern komme ich mir vor wie auf der Donauinsel.
Weil’s gar so schön ist, übersehe ich eine Abzweigung und erst nach Kennenlernen des Meringer Badesees und einigen Zusatzkilometern stoße ich bei Königsbrunn wieder auf die Via.
Von Westen her wird es immer dunkler, noch hoffe ich, der NO-Wind wird mich vor Ärgerem bewahren. Zehn Kilometer weiter kann ich mich gerade noch in ein gastliches Haus retten, bevor draußen ein ausgewachsenes Gewitter lostobt.
Nach einer erbaulichen Pause nutze ich eine Regenpause zur Weiterfahrt….., um nach 500 Metern unter die Pelerine zu flüchten. Obwohl heute der längste Tag des Jahres ist, wird es gegen 17h so finster, dass ich mein Rücklicht montiere und bei Null Sicht auf Quartiersuche gehe.
Erst nach 21h finde ich das Hotel Lechpark. Da der Nachtportier ein Radfahrer ist, bekomme ich einen Sonderpreis und ein Gratisweizen, bevor ich der Müdigkeit nachgebe.
107 km, 290 Hm

Donnerstag: Abfahrt bei zögerlicher Sonne und deutlichem Nasenrückenwind mit angenehmen 23°. Über stark gemischte Untergründe geht´s zu dem bedeutenden Mittagspausenort Schwabniederhofen.
Bei der Weiterfahrt tauchen langsam Berge und Gewitterwolken auf. 6 km vor meinem geplanten Etappenort Füssen, auf einem Campingplatz in Osterreinen am Forggensee, stelle ich gegen 14h mein neues Zelt auf. Fünf Minuten später schüttet es!
Zwei Stunden später starte ich bei etwas hellerem Himmel, um ohne Gepäck Schloss Neu Schwanstein zu besuchen.
Wollte ich, denn nach einem Kilometer treibt mich ein neuerlicher Wolkenbruch zum Quartier. In diesem erliege ich in der Folge der hypnotischen Wirkung von Regen auf dem Zeltdach. Auch beim abendlichen Ausflug zwecks Nahrungsaufnahme tröpfelt es und alles ist grau in grau.
Na schau ma’, wias morgen ausschaut.
94 km, 565 Hm

Freitag: Nächtens gibt es immer wieder Regen, gegen Morgen blinzelt die Sonne. Es reicht zum Zelttrocknen während des Frühstücks.
Abfahrt nach 9h, die Qualität der Beschilderung lässt deutlich nach. In Füssen und Reutte jeweils ein Verhauer; 20 km umsonst. Endlich am richtigen Weg, wird es sofort brutal: Die 2.5 km zur sogenannten Klause reizen meine Übersetzungsmöglichkeiten voll aus. Dazu kommt immer mehr die Sonne heraus (bei der Abfahrt hatte es angenehme 19°).
Ganz arg wird`s ab Biberwier. Jetzt weiß ich, warum ab hier ein Shuttledienst angeboten wird! Zwei Mal lese ich im Führerwerk nach, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Sogar als Wanderweg ist diese Römerstraße auf den Fernpass eine Zumutung: Äußerst steil und mit grobem Blockwerk und Wurzeln garniert; auch beim Schieben fließt der Schweiß in Strömen.
Da auf der Fernpass-Bundesstrasse sehr viel Verkehr ist, versuche ich auch die Abfahrt über die Via. Doch durch die Unwetter der letzten Tage ist der Weg so tief ausgewaschen, dass er beinahe unfahrbar ist.
Beim Schloss Fernstein reicht´s mir. Bis Nassereith wechsle’ ich doch auf die Bundesstraße.
Nach der heiß ersehnten Bierpause in Imst wechsle ich wieder auf die Via Claudia, welcher ich bis zu einem netten, kleinen Campingplatz in Landeck treu bleibe.
Aufbauendes Abendessen im Löwen, der Schlaf wird hoffentlich ein Übriges tun.
129 km, 1.215 Hm

Samstag: Es sei vorausgeschickt: Die Königsetappe war gestern!
Bei Kaiserwetter und gestärkt vom guten Frühstück in einer kleinen Bäckerei geht´s los. Bereits nach 500 Metern brauche ich die kleine Scheibe! Die ersten dreißig Kilometer bis Pfunds sind ein dauerndes Auf und Ab. Bei der Kajetansbrücke heftiges Studieren des Führers wegen verwirrender Wegführung.
Nach zweimaliger Schweizer Zollkontrolle wird der Weiterweg ab Martina eindeutig: auf der alten Reschenpasstrasse geht es bei immer noch praller Sonne elf Kehren lang bergwärts, erheblicher Flüssigkeitsverlust zwingt mich vor Nauders in eine Kneipe.
Ab hier wacht plötzlich heftiger Gegenwind auf. Zum Unterschied von mir genießen die Kitesurfer auf dem Reschenstausee diesen Blasius.
Übrigens: Hier auf über 1.500 m hat es +30°!
Entlang des Haidersees gibt es noch ein paar Höhenmeter, am Seeende aber beginnt eine rasante Abfahrt über eine schmale, jedoch asphaltierte Straße bis Burgeis. Hier wieder auf die Bundesstraße, in Mals gibt es netten Stopp in kleiner Trattoria.
Trotz fehlender Wegmarkierung (Italien!) weiter über die Via bis zu einem Campingplatz in Prad am Stilfserjoch.
Nach div. Reinigungsarbeiten Abendessen am Platz, bereits nach 21h auf die Matte.
98 km, 1.180 Hm


Sonntag: Nach äußerst unruhiger Nacht (es gab etliche Gewitter, lästige Kirchenglocken, Starböllerschüsse und jede Menge Amselgezwitscher) gegen 7h auf, 8h Frühstück, um 9h Aufbruch mit etlichen nassen Gepäckstücken.
Bei angenehmen 19° mit 100% Bewölkung flutscht es innerhalb 50 Kilometern von 910 m auf 310 m nach Meran. Dann hebt sich unangenehmer, heißer SO-Wind und vertreibt auch die Wolken.
In Andrian bei Bozen gibt’s mittägliche Stärkung, die heiße Weiterfahrt zum Kalterersee kostet Körndln.
Noch vor 16h steht mein Zelt am Westufer bei fürsorglichem Nachbar mit scharfem Hund. Nettes Abendessen außerhalb, schon gegen 19h Hüttenruhe!
127 km, 385 Hm

Montag: Auch diese Nacht gab es kräftige Gewitter, am Morgen ist außer dem nassen Zelt nichts mehr zu spüren. Beim Aufsitzen gegen 9h hat es bereits 28°! Auch aus diesem Titel wird die Fahrt nach Trento mühsam.
Fast 60 schnurgerade Kilometer in praller Sonne, dazu der heiße Gegenwind…., nicht unbedingt ein Vergnügen. In Trento selbst hat es 35° im Schatten.
Das interessante an der Situation ist, dass ich mich vergangene Nacht quasi in Österreich befunden habe, und ohne dass sich an der Gegend irgend etwas geändert hat, versteht niemand (oder will nicht) Deutsch. Die Etsch nennt sich plötzlich Fiume Adige.
Im Bahnhof von Trento (von hier muss man ein Stück die Bahn benutzen, da es ins Val Sugana nur die Autobahn gibt) treffe ich einen Österreicher, welcher soeben die Via absolviert hat. Er warnt mich vor den zwar nicht hohen (max. 900m), aber sausteilen Anstiegen über 80 (!) km.
Derart eingeschüchtert und eingedenk der Hitze fahre ich mit fremder Hilfe bis Feltre. Also bis dahin, wo die Berge langsam der Ebene des Veneto weichen.
Im Nachhinein weiß ich, dass das Vernünftigste die sofortige Heimfahrt ab Trento gewesen wäre!
Im Führer als mäßig befahrene Straßen beschrieben, entpuppen sie sich sämtlich als Lastwagenfahrergeheimtipp. Und keinerlei Hinweis auf die Via! Nein, stimmt nicht: einmal gibt´s eine Hinweistafel, doch der Radweg endet nach 20 Metern vor einem Zaun!
Also quäle ich mich über die heißen, stark befahrenen Straßen (obwohl gerade heute Nachmittag Italien ein WM-Match bestreitet) bis Punte Priula.
Da ich von vergangenen Urlauben weiß, dass es im Veneto keine Zeltplätze gibt, nehme ich mir hier in einer kleinen Herberge ein Zimmer (mit Klimaanlage, super!).
Ein bisschen Flanieren nach dem Abendessen, 2 Glas Prosecco (immerhin bin ich in seiner Hekunftsgegend), dann genieße ich nur mehr die Kühle in meinem Zimmer.
115 km, 220 Hm

Dienstag: Heute sind die Straßen zwar nicht ganz so frequentiert, doch diese Hitze! Mit 4,5 lt. Limonade (mein heimatlicher Hollersaftsirup ging gestern zu Ende) schaffe ich die 65 km bis Altino, der eingangs erwähnten ehemaligen Hafenstadt und dem Ausgangspunkt der Via Claudia Augustus (Venedig ist erst einige Jahrhunderte später entstanden).
Nach Besuch des kleinen Museums und der archäologischen Ausgrabungen sind es noch heiße 23 km bis Mestre, wo ich vis a vis vom Bahnhof ein winziges Zimmer beziehe. Auch hier ist die Kühlmaschine ein wichtiger Bestandteil.
Nach Bahnkartenkauf und Nahrungsaufnahme (auch ein paar Biere sind dabei) rasch zurück ins Hotel.
Die heutige weitere Tätigkeit besteht hauptsächlich aus Fernsehfernbedienung drücken.
88 km, 60 Hm

Mittwoch: Nach Protest gibt´s doch ein Hotelfrühstück, bevor sich kurz vor 7h mein Zug in Bewegung setzt.
Diesmal ohne Umsteigen, bin ich nach 7 Stunden in Wien und

das Abenteuer ist zu Ende!

P.S.: Nach insgesamt 758 km und 3.915 Hm